(verpd) Auch wenn sich rassistische Beleidigungen nicht gegen die eigene Person richten, muss sie ein Beschäftigter nicht hinnehmen. Er darf selbst in der Probezeit nicht entlassen werden, wenn er sich gegen derartige Äußerungen zur Wehr setzt. Dies entschied das Arbeitsgericht München in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az.: 33 Ca 8894/18).
Ein Beschäftigter, der als Leiharbeiter in einem Betrieb tätig war, musste sich regelmäßig rassistische Äußerungen eines Kollegen anhören. Auch wenn sich diese Äußerungen nicht unmittelbar gegen ihn selbst richteten, beschwerte sich der Leiharbeiter mehrfach, wenn auch vergeblich, bei seinen Vorgesetzten. Er wandte sich außerdem an den Betriebsrat des Unternehmens.
Anstatt den Mitarbeiter mit der rassistischen Haltung zu maßregeln, entschloss sich der Entleiherbetrieb jedoch dazu, den noch in der Probezeit befindlichen Leiharbeiter zu entlassen. Das wurde damit begründet, dass man keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beschäftigen sehen würde.
Keiner muss Rassismus im Arbeitsumfeld hinnehmen
Die Firma, bei der der Mann als Leiharbeiter tätig war, verübelte ihm insbesondere, dass er anfangs bestritten hätte, sich an den Betriebsrat gewandt zu haben. Dem Leiharbeiter mangele es offenbar an der für seine Tätigkeit erforderlichen Kommunikationsfähigkeit, so der Vorwurf des Entleihers. Seine Kritik an den rassistischen Äußerungen sei nicht der tragende Beweggrund für die Kündigung gewesen, versicherte das Unternehmen. Man sei wegen der Äußerungen selbst sehr betroffen. Die Vorwürfe würden geprüft. Diskriminierungen würden nicht toleriert, so der Entleiher weiter.
Diese Argumentation des Arbeitgebers vermochte das Münchener Arbeitsgericht nicht zu überzeugen. Es gab der eingereichten Kündigungsschutzklage des Leiharbeitnehmers statt. Im Sinne des Maßregelungsverbots gemäß Paragraf 612a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dürfe ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dabei müsse die zulässige Rechtsausübung der tragende Grund, das heißt das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein.
Dafür trage der klagende Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht war der Ansicht, dass diese Voraussetzungen erfüllt waren. Denn die Kündigung sei in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Versuch des Klägers erfolgt, sich gegen die rassistischen Äußerungen seines Kollegen zur Wehr zu setzen. Ein von rassistischen Beleidigungen geprägtes Arbeitsumfeld müsse ein Arbeitnehmer jedoch auch nicht in einem Entleiherbetrieb hinnehmen. Das gelte auch dann, wenn sich die rassistischen Äußerungen nicht unmittelbar gegen ihn selbst richteten.
Kündigung unwirksam
Den Vorwurf des Arbeitgebers, dass ihm der Kläger hätte offenbaren müssen, sich an den Betriebsrat gewandt zu haben, hielt das Gericht für unbegründet. Denn ein Arbeitgeber habe keinen Anspruch darauf zu erfahren, wann und mit welchem Ziel ein Arbeitnehmer den Betriebsrat aufsucht. Die Kündigung sei daher trotz der Tatsache, dass sie innerhalb der ersten sechs Monate der Probezeit erfolgte, in denen der Kündigungsschutz noch nicht greife, unwirksam.
Der Fall zeigt, dass eine Kündigung nicht immer rechtens ist. Daher ist es wichtig, dass sich auch ein Arbeitnehmer notfalls gerichtlich zu Wehr setzen zu kann, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Wer jedoch einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht austrägt, muss in der ersten Instanz die eigenen Anwaltskosten selbst tragen – und zwar egal, ob man gewonnen oder verloren hat. Das gilt für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer.
Kostenschutz für einen Arbeitnehmer bietet eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung, wenn der Versicherer vorab eine Deckungszusage erteilt hat.