(verpd) Ein altersgerecht entwickeltes achtjähriges Kind weiß, dass es während einer Fahrt mit einem Fahrrad nach vorne und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf. Es kann daher persönlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn es gegen diese Regel verstößt und es dadurch zu einem Unfall kommt. So das Oberlandesgericht Celle in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Az.: 14 U 69/19). Das Urteil verdeutlicht aber auch, dass nicht jedes Kind für einen von ihm verursachten Unfallschaden aufkommen muss.
Ein achtjähriges Mädchen, das schon seit ihrem fünften Lebensjahr mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnimmt, fuhr während eines Urlaubs mit den Eltern mit seinem Fahrrad auf einer Uferpromenade. Seine Eltern gingen in Ruf- und Sichtweite zu Fuß einige Meter hinter ihm her. Doch anstatt nach vorne zu schauen, blickte die junge Radlerin für einen längeren Zeitraum nach hinten zu ihren Eltern. Dabei steuerte sie auf eine Fußgängerin zu.
Bei dem Versuch, dem Kind auszuweichen, kam diese zu Fall. Wegen ihrer dabei erlittenen Verletzungen nahm sie das Kind und dessen Eltern auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Mit Erfolg. Anders als zuvor das Landgericht Hannover, gab das in Berufung mit dem Fall befasste Celler Oberlandesgericht der Klage statt.
Eine Frage der Einsichtsfähigkeit
Nach Ansicht der Richter besteht zwar kein Anspruch gegenüber den Eltern der Achtjährigen. Denn diese hätten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt, als sie in Ruf- und Sichtweise hinter ihrer Tochter hergingen. Das Mädchen könne jedoch persönlich wegen der Folgen des von ihm verursachten Unfalls in Anspruch genommen werden.
Grundsätzlich seien Minderjährige unter sieben Jahren für Schäden, die sie anderen zufügen, nicht verantwortlich. Solange sie keine zehn Jahre alt seien, würden Kinder auch nicht für Schäden durch einen Unfall, bei dem ein Kraftfahrzeug oder ein Fahrzeug im Schienenverkehr beteiligt ist, zur Verantwortung gezogen werden können. Rechtliche Grundlage ist hier der Paragraf 828 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).
„Vom siebten bis zum 17. Lebensjahr haften Minderjährige aber für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen“, so das Gericht. Dazu genüge die Fähigkeit des Kindes, zu erkennen, dass es in irgendeiner Weise für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden könne.
Verantwortlich für die Folgen der Verletzungen
Die Richter hörten die altersgerecht entwickelte Achtjährige persönlich an. Danach waren sie überzeugt davon, dass ihr zum Zeitpunkt des Unfalls durchaus bewusst war, einen Fehler zu machen. Sie hätte während der Fahrt mit ihrem Rad über eine längere Strecke nicht nach vorne, sondern nach hinten zu ihren Eltern geschaut.
Dabei hätte sie voraussehen müssen, dass sie mit ihrer Fahrweise auf der Promenade befindliche Fußgänger verletzen konnte, und sich entsprechend verhalten müssen. Da das nicht geschehen sei, hafte sie für die Folgen der Verletzungen der Klägerin.
Die Achtjährige muss den Schaden übrigens nicht mit ihrem Taschengeld bezahlen. Die Familie hat eine Privat-Haftpflichtversicherung, die einspringt.
Die Privathaftpflicht-Police: Kostenschutz für die Familie
Grundsätzlich gilt: Eltern haften für Schäden, die ihr Kind zum Beispiel im Rahmen eines Verkehrsunfalles anrichtet, nur wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Eine bestehende Privathaftpflicht-Versicherung bietet jedoch für die ganze Familie einen mehrfachen Schutz. So sind in einer solchen Police nicht nur die Eltern, sondern auch deren minderjährigen und in der Regel die noch in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kinder versichert.
Richtet das Kind zum Beispiel als Fußgänger oder Radfahrer einen Schaden an, für den es selbst oder die Eltern haften müssen, leistet eine bestehende Privathaftpflicht-Police den entsprechenden Schadenersatz. Eine solche Police wehrt zudem ungerechtfertigte oder überhöhte Forderungen ab und trägt dazu zum Beispiel die anfallenden Prozesskosten. Hat ein Kind, das nach dem Gesetz wegen seines Alters gemäß Paragraf 828 BGB als deliktunfähig gilt, einen Schaden verursacht und haben die Eltern dabei nicht ihre Aufsichtspflicht verletzt, geht der Geschädigte leer aus.
In vielen Fällen, zum Beispiel wenn dabei ein Nachbar oder ein Bekannter geschädigt wurde, sehen sich die Eltern moralisch verpflichtet, den verursachten Schaden zu begleichen. Daher kann man in einigen Privathaftpflicht-Policen – teils gegen Aufpreis – Schäden von deliktunfähigen Kindern bis zu einer bestimmten Höhe mitversichern. Besteht ein solcher Einschluss, übernimmt die Privathaftpflicht-Versicherung einen solchen Schaden maximal bis zur vereinbarten Höhe, auch ohne dass das Kind oder die Eltern aber rechtlich zum Schadenersatz verpflichtet wären.